Nicht nur für Dr. Brinkmann aus der „Schwarzwaldklinik“ war der weiße Langarmkittel ein unverzichtbares Kennzeichen. Das Bild des „Gottes in Weiß“ wurde in vielen Filmen und Romanen gepflegt. Dr. House trägt heutzutage zwar lieber Alltagskleidung, doch der weiße Arztkittel hat seine symbolische Bedeutung noch lange nicht verloren. Eine Spurensuche zeigt, warum das so ist.
Der Siegeszug des weißen Arztkittels als Status- und Erkennungssymbol für Ärzte begann Ende des 19. Jahrhunderts, als in Krankenhäusern und Praxen die Bedeutung der Hygiene erkannt wurde. Wissenschaftler wie Ignaz Semmelweis und Max von Pettenkofer hatten nachgewiesen, dass Sauberkeit bei der Vorbeugung von Krankheiten eine entscheidende Rolle spielt. Die Folge war eine Art „Hygiene-Revolution“. Die Erkenntnisse, die die Wissenschaft zum Beispiel bei der Erforschung der Cholera gewannen, wirkten sich allerdings zuerst auf den Bereich der Lebensmittelhygiene aus. Die ersten weißen Schürzen und Arbeitskittel trugen deshalb zunächst nicht die Ärzte, sondern das in der Hierarchie deutlich niedriger positionierte Küchenpersonal. In allen Krankenhausküchen musste weiße Dienstkleidung getragen werden. Weiße Mäntel als hygienisch verlässliche Dienstkleidung für Mediziner wurden erst später eingeführt und so zu einem lange Zeit fast unverzichtbaren beruflichen Kennzeichen.
Weißer Siegeszug
Vor dem Hygiene-Boom trugen Wundärzte in der Regel einen vornehmen schwarzen Gehrock als Zunftkleidung. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts behandelten Ärzte ihre Patienten in derselben Kleidung, die sie auch auf der Straße trugen. Militärärzte trugen ihre – meist dunkle – Uniform. Erst als sich nach 1880 die Erkenntnis durchsetzte, dass Krankheitserreger über Hände, medizinische Instrumente und auch über die Kleidung in eine Wunde gelangen können, waren sterile Operationsmethoden die Regel. Damit war der Weg frei für die Farbe Weiß, denn im Gegensatz zu einem schwarzen Gehrock kann der weiße Kittel auch bei sehr hohen Temperaturen gewaschen werden. Diese sind, um Bakterien und Keime sicher abzutöten. Da außerdem auf Weiß jeder noch so kleine Fleck sofort auffällt, ließ sich leicht kontrollieren, ob der Mediziner einen sauberen Kittel trägt oder ob eine Reinigung nötig ist. Als Resultat dieser Entwicklung trugen ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts alle Ärzte weiße Kittel.
Symbolische Bedeutung
Das lange Zeit „heilige“ Hygiene-Argument als Argument für weiße Arztkleidung hat zwar lange ausgedient, da auch bunte Funktionskleidung heutzutage problemlos heiß gewaschen und so sterilisiert werden kann. Doch die Aura des weißen Kittels bleibt. Mediziner tragen weltweit auch deshalb immer noch am liebsten Weiß, da sie so von jedem fast automatisch als Arzt erkannt und akzeptiert werden. Auch bei Aufnahmeritualen spielt der weiße Kittel als Schlüsselsymbol weiterhin eine wichtige Rolle. In den USA ist es bei der „White coat ceremonie“ an den Universitäten heute noch üblich, den neuen Medizinstudenten in einer Feierstunde als „symbolischen Ritterschlag“ einen weißen Arztkittel zu überreichen. Dieser ist aber – ähnlich wie Doktorhut oder Krawatte – kaum praxisstauglich und muss im Schrank bleiben, da er den strengen Hygieneanforderungen nicht genügt.